Kapitel 7

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Rote Pupillen blickten tief in seine Seele.
Der Lebenssaft floss aus ihrer Mitte. Er hatte es sich anders vorgestellt. Gnädiger. Die Haut um ihren Hals spannte sich, sodass an dessen Seiten die Sehnen hervortraten. Ihr Griff war so kraftlos und dennoch schmerzte er. Kalte Finger umklammerten die Wunde, aus der sein Blut herausfloss. Dort hatte er sich geschnitten, als das Messer niedergefahren war, auf ihren schlafenden Körper.
Da war sie, wach, zwischen Dunkelheit und Dunkelheit. Ihre Tränen ließen ihn durstig werden. Sie waren so klar. Nicht verdreckt oder vergiftet. So rein wie ihre Seele. Keine Gier oder gar Hass erkannte er in ihren Augen, welche sich bald für immer schließen sollten. Nur Verzweiflung und Abscheu.


Als wäre sie sein Spiegel. Sein Ebenbild vor dem Krieg, dem Hunger und der Plage. Vor dem Tod seines Vaters und der Geschwister. Das konnte er ihr nicht antun. So sollte sie nicht enden, in dieser Welt. Er schenkte ihr den Tod mit dem Messer, mit dem sie ihn ernährt hatte.


Einst war sie so schön gewesen. Ohne das Geschwür an ihrem Bauch und dem Messer darin. Er durchbohrte den Ort, von dem er stammte, mit so viel Hass in seinem Herzen, als wäre es vor Wut verbrannt und zu Asche geworden. Ein schwarzes Herz. Kein Zorn mehr, den ein Hemnan für sich selbst empfinden konnte. Jener sprengte die Ketten seines Geistes, welche ihn vor dem Wahnsinn bewahrt hatten.


Erlösung sollte es sein. Keine Folter. Doch die Kräuter in ihrem Essen hatten nicht gewirkt, musste sie sich doch so oft übergeben. 
Der Sabber rann über ihre Mundwinkel und er wurde hungrig. Brot, faules Gemüse, Ratten, Käfer, Kadaver, Finger. Die Lebenden fraßen, was sie haben konnten. Bald schon, würden sie nicht mehr die Toten verspeisen. 
Wie konnte er sie beide durchfüttern? Wann würden SIE die kranke Frau holen kommen? Er wollte sie sie nicht haben lassen. Nicht wie damals die anderen.


Begraben konnte er sie nicht. Da zündete er das Haus an. Verbrannte alles. Seine Seele mit dazu und auch deren Körper. Doch der wehrte sich, schleppte sich aus dem Flammenmeer und blieb am Straßenland liegen, wie Strandgut. Bereit, aufgesammelt zu werden.
Als die dürren Gestalten, mit Mistgabeln, Sicheln und Steinen auf ihn zukamen, ritt eine Truppe Reiter vorbei. Sie schwangen ihre Klingen und die Hungernden waren nicht länger hungrig. Stahl war ihre Henkersmahlzeit. 
Als sie sahen, dass er lebte, machten sie kehrt. Der Mann mit dem vom Feuer entstellten Gesicht kniete sich hin und schloss die Augen. Zu viel hatte er mit angesehen. Sollten die Raben sie ihm aus dem Gesicht picken.


Plötzlich stieg ein Mann von seinem Pferd und schritt auf ihn zu. Schwieg ihn an, bis er die Augen öffnete. Groß war er und furchteinflößend, für einen Hemnan. Das war der Verbrannte für seinen Teil nicht mehr. Kein Wort entwich der Kehle, kein Gedanke kreiste in seinem Geist. Eine Hand wurde ihm hingestreckt, die er ergriff und damit eine Chance, nicht mehr hungrig zu sein, keinen Durst mehr zu verspüren, nichts mehr zu fühlen und nur zu leben, des Überlebens Willen. 
Rote Pupillen blickten tief in seine Seele und ließen ihn hochschrecken, in die Nacht, in der nur der Frostmond die Welt mit Licht übergoss.


Theovin blickte auf seine Hände. Auf der bleichen Haut zeichnete sich eine Narbe an einem linken Finger ab. Die Adern waren durch das Fleisch zu erkennen. Sie stachen hervor, wie fette Würmer, welche unter seiner Haut nisteten. Schwarz waren sie, wie der sternenklare Himmel. 
Er hatte einen abscheulichen Albtraum gehabt. Möglichst geräuschlos schmiegte er sich in die Decke. Kalter Angstschweiß floss über seinen Körper. Theovin sah auf zum Mond. Er hatte Angst die Augen zu schließen, fürchtete er doch die Schrecken, welche er dann sehen könnte. So blickte er eine ganze Zeit auf, bis seine Lieder zu schwer wurden und der Geist des Gebrochenen schlussendlich nachgab. 

 

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